Suchassistent
Beta
Login
Login

Schweizer wollen Grundversicherungsleistungen nicht reduzieren

Eine Comparis-Umfrage zeigt: Trotz hoher Prämien wollen Schweizer die Leistungen der Grundversicherung nicht kürzen – und nehmen sogar Lücken wahr.

Magdalena Soll Foto
Magdalena Soll

05.08.2025

Hände halten ein symbolisches Plus für Gesundheitsleistungen in der Hand. Um das Plus herum sind digital eingefügte Symbole für Gesundheitsleistungen.

iStock / hamppixs

1.Lücken in der obligatorischen Krankenversicherung
2.Leistungen der Grundversicherung sollen nicht gekürzt werden – trotz der hohen Prämien
3.Zusatzversicherungen sind beliebt, aber nicht alle können sie sich leisten
4.Komplementärmedizin und Komfort wichtiger als freie Arztwahl
5.Versicherte lehnen risikobasierte Prämien für Zusatzversicherungen ab

1. Lücken in der obligatorischen Krankenversicherung

Schweizerinnen und Schweizer haben das Gefühl, dass die obligatorische Grundversicherung nicht alle Bedürfnisse abdeckt. Das zeigt eine Umfrage von Comparis. Knapp 40 Prozent der befragten Personen geben an, Lücken in der Grundversicherung wahrzunehmen.

Dabei sehen Personen von 36 bis 55 Jahren (45,9 Prozent) öfter Lücken in den gedeckten Leistungen als Personen ab 56 Jahren (31,9 Prozent). Auch regional zeigen sich Unterschiede: Die Hälfte der befragten Personen in der Westschweiz empfinden den Schutz der Grundversicherung als unzureichend – in der Deutschschweiz sind es nur 35 Prozent.

Obwohl die Leistungen der Grundversicherung in der letzten Dekade immer weiter ausgebaut wurden und steigende Prämien verursacht haben, scheint ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung nicht zufrieden zu sein. Das ist ein Widerspruch.

Felix Schneuwly Foto
Felix SchneuwlyComparis-Gesundheitsexperte

Haushalte mit Kindern (45,8 Prozent) nehmen Versorgungslücken häufiger wahr als Haushalte ohne Kinder (37 Prozent). Gemäss Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly liegt das wohl an den nicht durch die Grundversicherung gedeckten Zahnstellungskorrekturen.

2. Leistungen der Grundversicherung sollen nicht gekürzt werden – trotz der hohen Prämien

Die Mehrheit von 51,8 Prozent der Befragten lehnt es ausserdem ab, Leistungen aus der Grundversicherung auszulagern. Besonders Frauen (56,4 Prozent) und die Altersgruppe der über 56-Jährigen (60,3 Prozent) möchten die Leistungen beibehalten, wie sie im Moment sind.

Suchterkrankungen auslagern, innovative Krebstherapien behalten

Für die Mehrheit der Befürwortenden der Auslagerung steht bei Suchterkrankungen die Eigenverantwortung im Vordergrund. So würde besonders die Generation der über 56-Jährigen Behandlungen aus der Grundversicherung auslagern, die im Zusammenhang mit zum Beispiel Alkohol- oder Nikotinsucht stehen.

Aber: Die Auslagerung innovativer Krebstherapien findet auch bei den Befürwortenden keine Mehrheit. Besonders die Befragten der Altersgruppe über 56 Jahre lehnen die Leistungsbeschränkung in diesem Bereich ab.

Der Grundsatz der Solidarität wird hochgehalten, aber die Definition, was solidarisch finanziert werden soll, verschiebt sich. Ältere Generationen scheinen Suchterkrankungen eher als Lifestyle-Problem zu betrachten, dessen Kosten nicht von der Allgemeinheit getragen werden sollten. Bei klar schicksalhaften Erkrankungen wie Krebs hingegen ist der Solidaritätsgedanke unumstösslich. Dass Jüngere und Gutverdienende einer Auslagerung generell offener gegenüberstehen, bleibt aber ein Warnsignal für eine schleichende Erosion des Solidaritätsprinzips.

Felix Schneuwly Foto
Felix SchneuwlyComparis-Gesundheitsexperte

3. Zusatzversicherungen sind beliebt, aber nicht alle können sie sich leisten

Mehr als drei Viertel (78,8 Prozent) der Befragten haben mindestens eine Zusatzversicherung abgeschlossen. 47,5 Prozent möchten den Schutz angesichts der gefühlten Lücken ausbauen.

Besonders hoch ist das Interesse an Zusatzversicherungen bei

  • den 18- bis 35-Jährigen (50,3 Prozent)

  • Personen mit hohem Bildungsniveau (53 Prozent)

  • Haushalten mit einem Einkommen über 8’000 Franken pro Monat (58,9 Prozent)

Befragte in Haushalten bis 4’000 Franken Bruttoeinkommen im Monat zeigen mit 32,8 Prozent weniger Interesse am Abschluss einer Zusatzversicherung. Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly sieht die grösste Hürde bei der Höhe der Prämien.

Gutverdienende können sich die gewünschte Sicherheit leisten, während Personen mit tiefem Einkommen trotz Interesse oft auf über die Grundversicherung hinausgehende Versicherungsdeckungen verzichten müssen. Das nährt die Debatte um eine Zweiklassenmedizin.

Felix Schneuwly Foto
Felix SchneuwlyComparis-Gesundheitsexperte

4. Komplementärmedizin und Komfort wichtiger als freie Arztwahl

Am wichtigsten sind den Befragten Zusatzleistungen für mehr Komfort im Spital. Danach folgen alternative Heilmethoden, etwa Naturheilkunde und Homöopathie. An dritter Stelle kommen Leistungen wie Brillen und Kontaktlinsen. Dabei ist der jüngsten Altersgruppe von 18 bis 35 Jahren die Sehhilfen-Leistung wichtiger als Personen von 36 bis 55 Jahren.

Zahnbehandlungen liegen bei der Wichtigkeit von Zusatzleistungen auf dem vierten Platz. Sie sind den Schweizerinnen und Schweizern wichtiger, je älter sie werden. Als eher unwichtig gelten:

  • Behandlung in jedem Spital der Welt

  • Physiotherapie und Rehabilitation

  • Rettung und Bergung

  • Spital mit freier Arzt- und Terminwahl bei Wahleingriffen

Laut Felix Schneuwly zeigt sich hier ein typisches Wohlstandsphänomen: «Es ist nicht mehr die Frage, dass man überhaupt gesund wird, sondern mit welchem Komfort. Die Spitäler haben auf dieses Bedürfnis mit dem Ausbau des Hotelkomforts reagiert. Zusätzlich wird ohne Zusatzversicherungsdeckung immer öfter ambulant operiert, sodass der Unterschied zwischen Zusatzversicherten und Grundversicherten zumindest diesbezüglich öfter entfällt.»

5. Versicherte lehnen risikobasierte Prämien für Zusatzversicherungen ab

Die Haupthürde für den Abschluss einer Zusatzversicherung sind die hohen Prämien. Mit 62,1 Prozent der Antworten hebt sich der Faktor von anderen Hürden ab. Auf dem zweiten Platz folgen Gesundheitsprüfungen und Vorerkrankungen mit 32,3 Prozent. Aber: Auch sie sind relevante Faktoren, die die Befragten vom Abschluss einer Zusatzversicherung abhalten.

Befragte ohne Zusatzversicherung sehen die Gesundheitsprüfung mit 34,9 Prozent als grosses Hindernis für den Abschluss. Aber: Die Bereitschaft der Befragten dieser Gruppe zur Zahlung einer Risikoprämie ist gering. Sie verzichten lieber auf den Versicherungsschutz, statt eine höhere und risikogerechte Prämie zu zahlen.

Dieser Artikel wurde erstmals produziert am 05.08.2025

Das könnte Sie auch interessieren

Welche Zusatzversicherungen sind in der Schweiz beliebt?

16.07.2024

Prognose der Krankenkassenprämien 2026: 4 Prozent teurer

22.05.2025

Welche Krankenkassen-Modelle sind 2024 im Trend?

22.11.2023

Einheitskasse in der Schweiz: Das sind die Argumente

25.04.2024