Vorkaufsrecht Schweiz: Was ist das limitierte und das unlimitierte Vorkaufsrecht?

Bei einem Hausverkauf haben gewisse Kaufinteressierte ein Vorkaufsrecht. Andere Interessierte haben dann das Nachsehen. Comparis klärt auf.

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Elena Wetli

19.12.2022

Ein Miniaturhäuschen steht auf einem Grundrissplan.

iStock / AlexRaths

1.Was ist ein Vorkaufsrecht?
2.Welche Arten von vertraglichen Vorkaufsrechten gibt es?
3.Gibt es gesetzlich vorgeschriebene Vorkaufsrechte?
4.Vorkaufsfall: Wie läuft ein Immobilienverkauf mit Vorkaufsrecht ab?
5.Wie lange gilt ein Vorkaufsrecht?
6.Was passiert, wenn ich das Vorkaufsrecht missachte?
7.Lässt sich das Vorkaufsrecht umgehen?
8.Wie verhält sich das Vorkaufsrecht bei Stockwerkeigentum?
9.Wie verhält sich das Vorkaufsrecht bei Grundstücken?

1. Was ist ein Vorkaufsrecht?

Eine Person mit Vorkaufsrecht erhält das Vorrecht zum Kauf einer Immobilie. Nur wenn die Vorkaufsberechtigten auf den Kauf verzichten, können andere Kaufwillige die Immobilie erwerben. Es gibt sowohl vertraglich geregelte Vorkaufsrechte als auch gesetzliche Vorkaufsrechte.

2. Welche Arten von vertraglichen Vorkaufsrechten gibt es?

Der Inhaber oder die Inhaberin einer Immobilie kann ein vertragliches Vorkaufsrecht einräumen. Es gibt zwei Arten von vertraglichen Vorkaufsrechten:

  • Das limitierte Vorkaufsrecht: Der Kaufpreis und die übrigen Verkaufskonditionen werden im Voraus festgelegt. Der aktuelle Marktwert und eventuelle höhere Gebote sind beim Verkauf nicht relevant.

  • Das unlimitierte Vorkaufsrecht: Berechtigte können die Immobilie zu denselben Konditionen wie eine potenzielle externe Käuferschaft übernehmen. Haben Sie mit einer potenziellen Käuferschaft einen Preis von 800’000 Franken vereinbart, gilt derselbe Preis auch für die vorkaufsberechtigte Person.

Gut zu wissen: Bei einer Zwangsversteigerung gelten vertragliche Vorkaufsrechte nicht.

Was muss ich bei einem Vorkaufsvertrag beachten?

Für das limitierte Vorkaufsrecht ist eine öffentliche Beurkundung durch einen Notar nötig, damit es auch gegenüber Dritten Gültigkeit hat.

Das unlimitierte Vorkaufsrecht müssen Sie schriftlich festhalten. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht nötig.

Gut zu wissen: Durch den Eintrag ins Grundbuch stellen die Begünstigten des Vorkaufsrechts sicher, dass die Immobilie nicht ohne ihr Wissen den Besitzer wechselt.

Ist das limitierte Vorkaufsrecht oder das unlimitierte Vorkaufsrecht besser?

Der Vorteil beim limitierten Vorkaufsrecht liegt in der Planbarkeit. Die Parteien wissen genau, wie viel sie für die Immobilie bekommen beziehungsweise zu bezahlen haben.

Beim limitierten Vorkaufsrecht sind Sie als Verkäufer während der vereinbarten Vertragslaufzeit an den Preis gebunden. Damit steigt das Risiko, keinen marktgerechten Preis für die Immobilie zu erzielen. Immobilienbesitzende schliessen somit mit Vorteil unlimitierte Vorkaufsrechte ab.

Wann macht ein Vorkaufsrecht Sinn?

Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wann ein Vorkaufsrecht Sinn macht. Denkbar sind aber Gründe wie:

  • Sie möchten, dass die Liegenschaft in der Familie bleibt.

  • Sie möchten Ihren Mietern die Möglichkeit geben, im Verkaufsfall die Immobilie selbst erwerben zu können.

  • Sie haben eine Person gefunden, die Ihr Haus kaufen möchte. Der Verkaufszeitpunkt ist aber noch unklar.

3. Gibt es gesetzlich vorgeschriebene Vorkaufsrechte?

Das Gesetz (ZGB, Art. 681–682) definiert folgende Vorkaufsrechte:

  • Miteigentum: Parteien A, B und C besitzen eine Immobilie. C will ihren Anteil verkaufen. In diesem Fall haben die Parteien A und B ein Vorkaufsrecht. Ein Beispiel dafür wäre etwa eine Erbengemeinschaft.

  • Baurecht-Inhaber Das Baurecht ist ein zeitlich befristetes Recht, auf fremdem Boden ein Gebäude errichten zu dürfen. Der Baurecht-Inhaber hat bei einem allfälligen Grundstückverkauf ein Vorkaufsrecht.

  • Grundeigentümer: Verkauft der Baurecht-Inhaber das Gebäude, hat der Grundeigentümer ein Vorkaufsrecht.

  • Landwirtschaftliche Grundstücke: Steht ein landwirtschaftliches Grundstück zum Verkauf, haben nahe Verwandte und Pächter ein Vorkaufsrecht.

  • Gemeindewesen: Für zum Verkauf stehende Grundstücke in Erholungs- und Freihaltezonen hat das jeweilige Gemeindewesen ein Vorkaufsrecht.

Gut zu wissen: Besteht sowohl ein vertragliches als auch ein gesetzliches Vorkaufsrecht, geht das gesetzliche Vorkaufsrecht vor.

4. Vorkaufsfall: Wie läuft ein Immobilienverkauf mit Vorkaufsrecht ab?

Möchten Sie eine Immobilie mit bestehendem Vorkaufsrecht an eine dritte Partei verkaufen? Dann liegt ein Vorkaufsfall vor. Beim Verkauf mit einem Vorkaufsfall müssen Sie einige Dinge beachten. Die folgende Vorgehensweise gilt für alle Arten des Vorkaufsrechts:

  • Kaufvertrag aufsetzen: Setzen Sie einen Kaufvertrag mit einer kaufwilligen dritten Person auf. Das Interesse oder die Vertragsverhandlung allein reicht nicht für die Ausübung des Vorkaufsrechts.

  • Der Mitteilungspflicht nachkommen: Informieren Sie die vorkaufsbegünstigte Person über den Kaufvertrag. Zumindest den Kaufpreis und die wichtigsten Inhalte des Kaufvertrags sollten Sie dem Vorkaufsberechtigten mitteilen. Der Begünstigte hat das Recht auf Einblick in den Kaufvertrag.

  • Wartefrist beachten: Die Person mit Vorkaufsrecht hat nun drei Monate Zeit für ihre Entscheidung. Möchte sie die Immobilie kaufen, muss sie das der Verkaufspartei schriftlich mitteilen.

  • Kaufvertrag abschliessen: Entscheidet sich die vorkaufsberechtigte Person zum Kauf, müssen Sie mit ihr einen neuen Kaufvertrag zu den Bedingungen des vereinbarten Vorkaufsrechts abschliessen. An eine andere Person können Sie die Immobilie nur verkaufen, falls die vorkaufsberechtigte Person von ihrem Recht zurücktritt.

5. Wie lange gilt ein Vorkaufsrecht?

Fristen bei vertraglichen Vorkaufsrechten

Die Dauer des Vorkaufsrechts bestimmen die Vertragsparteien. Von Gesetzes wegen gilt das Vorkaufsrecht höchstens für 25 Jahre ab Vertragsabschluss (Art. 216a OR).

Sofern nichts anderes vereinbart, gehen Vorkaufsrechte auf die Erben des Vorkaufsberechtigten über. Den Erben ist es untersagt, ohne Einwilligung des Immobilienbesitzers bzw. der -besitzerin Vorkaufsrechte an Dritte abzutreten oder zu verkaufen.

Fristen bei gesetzlichen Vorkaufsrechten

Die Dauer des gesetzlichen Vorkaufsrechts ist unbeschränkt. Erst beim tatsächlichen Verkauf gibt es zeitliche Einschränkungen.

Nach der Mitteilung über den aufgesetzten Kaufvertrag hat die vorkaufsberechtigte Person drei Monate Zeit, ihr Recht geltend zu machen. Hat der oder die Vorkaufsberechtigte keine Mitteilung erhalten, verfällt das Vorkaufsrecht erst zwei Jahre nach dem Eigentumsübertrag. Gesetzliche Vorkaufsrechte sind nicht vererbbar.

6. Was passiert, wenn ich das Vorkaufsrecht missachte?

Verschweigen Sie als Immobilieneigentümer oder -eigentümerin der vorkaufsberechtigten Person den Verkauf, müssen Sie mit Folgen rechnen. Ist ein Kauf noch möglich, kann der Vorkaufsberechtigte eine Klage auf Vorkaufsrecht einreichen. Ist der Kauf nicht mehr möglich, werden Sie schadenersatzpflichtig.

7. Lässt sich das Vorkaufsrecht umgehen?

Immobilienbesitzer können Vorkaufsrechte durch Vererbung oder Schenkung umgehen. Eine Vererbung oder Schenkung gilt vor dem Gesetz nicht als Vorkaufsfall. Vorkaufsberechtigte können dann das Vorkaufsrecht nicht ausüben.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Person A besitzt eine Immobilie. Person B hat für diese Immobilie ein Vorkaufsrecht. Schenkt Person A das Haus oder geht es durch einen Erbgang an Person C, kann Person B ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben.

8. Wie verhält sich das Vorkaufsrecht bei Stockwerkeigentum?

Ein Stockwerkeigentümer bzw. -eigentümerin hat kein gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber Dritten oder anderen Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümern.

Das Vorkaufsrecht können Sie vertraglich vereinbaren, etwa beim Begründungsakt durch einen Eintrag ins Grundbuch sowie durch eine einstimmige schriftliche Vereinbarung aller Stockwerkeigentümerinnen und Stockwerkeigentümer. Es ist auch möglich, mit einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümern ein separates Vorkaufsrecht untereinander zu vereinbaren.

9. Wie verhält sich das Vorkaufsrecht bei Grundstücken?

Bei einem Grundstückverkauf sollten Sie die gesetzlichen Vorkaufsrechte überprüfen. Möglicherweise hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht. Vertragliche Vorkaufsrechte an Grundstücken sind in der Regel schriftlich begründet und im Grundbuch vorgemerkt.

Ist das Grundstück in mehrere Parzellen aufgeteilt, dürfen Vorkaufsberechtigte ihr Vorkaufsrecht auf die einzelnen Parzellen ausüben. Das gilt übrigens auch dann, wenn eine Parzelle bebaut ist.

Gut zu wissen: Das Vorkaufsrecht einer Gemeinde erlischt bei Erbgang und Schenkung.

Dieser Artikel wurde erstmals produziert am 05.08.2019

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