Systemische Therapie und Familientherapie erklärt

Es gibt über 21 verschiedene Formen der Psychotherapie. Systemische Therapie ist eine davon. Erfahren Sie mehr über Ablauf, Kosten und Anlaufstellen für systemische Beratung.

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Julia Strachowitz

21.09.2022

Zwei Hände, die ein Herz halten

1.Was ist systemische Therapie?
2.Wie funktioniert systemische Therapie?
3.Wie seriös ist systemische Therapie?
4.Wird systemische Therapie von der Krankenkasse bezahlt?
5.Wo finde ich systemische Psychotherapeuten?

1. Was ist systemische Therapie?

Systemische Therapie beschäftigt sich nicht nur mit dem Individuum. Sie berücksichtigt auch das gesamte Umfeld und die Beziehungen, welche die Person pflegt. Mittlerweile gibt es sie auch explizit als Einzeltherapie. Dennoch steht das soziale Netzwerk während der Gespräche im Vordergrund.

Der Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des sozialen Umfelds einer Person wie Familie, Freunde und Beruf. Denn Menschen sind Teil eines Gesamtsystems. Der systematische Therapeut oder die systemische Therapeutin unterstützt Patienten und Patientinnen darin, ihren Handlungsspielraum in diesem System zu erweitern.

2. Wie funktioniert systemische Therapie?

Ziel der systemischen Therapie ist die Stärkung von Selbstwert und Autonomie der einzelnen Person. Durch Gespräche, Fragetechniken und weitere Methoden hilft die Therapeutin oder der Therapeut dem Patienten oder der Patientin bei der Selbstreflektion.

Während einer systemischen Therapie werden verschiedene Methoden angewandt:

Die Patientin oder der Patient platziert Stellvertreter für Personen in einen Raum. Hierbei lassen sich Beziehungsmuster erkennen. Wer steht sich nah? Wer schaut wen an? Die Aufstellung funktioniert auch mithilfe von Figuren.

Typisch für die systemische Therapie ist die Arbeit mit Bildern. Wer sich traurig fühlt, wird gebeten, das Gefühl mit einem Bild zu verbinden (z. B. eine schwarze Wolke). Danach kann der Therapeut oder die Therapeutin mit dem Bild arbeiten. Herausfordernde Situationen lassen sich benennen. Der Patient oder die Patientin lernt, den Umgang mit ihnen aktiv zu beeinflussen.

Die Therapeutin oder der Therapeut stellt das Gesagte immer wieder in einen neuen Rahmen und ermöglicht damit neue Sichtweisen.

Beispiel: «Ich kann nie Nein sagen, jeder nutzt mich aus.» (Patient) – «Ich verstehe, Sie geben gerne und sind grosszügig. Aber nun wollen Sie lernen, ab und zu Nein zu sagen.» (Therapeut)

Auf einer Landkarte werden Beziehungen zu Familie, Freunden und Arbeit festgehalten. Gute oder schwierige Beziehungen können mit Symbolen hervorgehoben werden.

Wunderfragen

Frei von gedanklichen Einschränkungen wird ein Lösungszustand beschrieben und die Bedürfnisse hinter den Problemen werden aufgedeckt.

Beispiel: «Stellen Sie sich vor, heute Nacht geschieht ein Wunder und das Problem, das Sie gerade beschäftigt, ist verschwunden. Woran würden Sie das merken?»

Paradoxe Fragen

Durch Verstärkung festgefahrene Glaubens- und Verhaltensmuster lösen.

Beispiel: «Was müssten Sie tun, damit Sie endgültig ein Burnout erleiden?»

Zirkuläre Fragen

Hineinversetzen in die Position des Beobachters oder der Beobachterin.

Beispiel: «Wie würde ein aussenstehender Beobachter oder eine aussenstehende Beobachterin Ihre Situation beschreiben?»

Die systemische Therapie hat sich aus der Familientherapie entwickelt. Doch nicht nur die Familie spielt eine bedeutende Rolle für die psychische Gesundheit eines Menschen. Die systemische Therapie berücksichtigt deshalb alle Beziehungen einer Patientin oder eines Patienten. Dazu gehören Liebes-, Arbeits- oder Familienbeziehungen. Im Gegensatz zur Familientherapie erfolgt die systemische Therapie meist in Einzelsitzungen.

3. Wie seriös ist systemische Therapie?

Die systemische Therapie ist eine von 21 anerkannten Psychotherapie-Methoden in der Schweiz. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat verschiedene Ausbildungsanbieter akkreditiert. Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen können eine mehrjährige Weiterbildung in systemischer Therapie absolvieren.

Neben systemischer Therapie gibt es auch systemisches Coaching. Coaches haben aber in der Regel keine ärztliche, psychologische oder psychotherapeutische Ausbildung. Coaching eignet sich deshalb für Themen im Bereich des persönlichen und professionellen Wachstums. Tiefergehende Probleme, Traumata, psychische Erkrankungen und psychische Beeinträchtigungen sollten nicht im Rahmen eines Coachings, sondern in einer Therapie behandelt werden.

4. Wird systemische Therapie von der Krankenkasse bezahlt?

Die systemische Psychotherapie ist in der Schweiz offiziell als Therapiemethode anerkannt. Sie wird von der Grundversicherung bezahlt, sofern sie ärztlich angeordnet oder delegiert ist. Nach 30 Sitzungen muss ein Vertrauensbericht erstellt werden, um weitere Sitzungen genehmigen zu lassen.

Diese Neuregelung ist am 1. Juli 2022 in Kraft getreten. Nun können Sie sich von Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin an eine psychologische Therapieperson überweisen lassen. 

5. Wo finde ich systemische Psychotherapeuten?

Viele Psychotherapeuten und -therapeutinnen veröffentlichen ihre systemische Ausbildung und Zugehörigkeiten zu Verbänden auf ihrer Webseite. Fragen Sie direkt in der Praxis Ihrer Wahl nach systemischer Therapie.

Systemis ist ein Schweizer Fachverband, der die Interessen von systemisch ausgebildeten Fachpersonen vertritt. Dort finden Sie eine Liste mit systemischen Fachpersonen in der ganzen Schweiz.

Das Meilener Institut in Zürich verfügt über ein Therapieangebot für Patienten und Patientinnen. Eine Liste mit Fachpsychologen und -ärzten gibt Ihnen einen Überblick.

Das Zentrum für Systemische Therapie und Beratung Bern (ZSB) listet über 40 Fachpersonen auf, die über eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung verfügen.

Quellen:

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