KOF-Prognose: Pflegekosten auf Rekordniveau
Die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen stetig – unter anderem wegen der Pflegeleistungen. Das zeigt die von Comparis finanzierte Gesundheitskosten-Prognose der Konjunkturforschungsstelle (KOF).

18.11.2025

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1. Gesundheitsausgaben steigen weiter an
Die Gesundheitsausgaben in der Schweiz werden 2026 voraussichtlich um 3,6 Prozent steigen. Das sagt das KOF-Institut der ETH Zürich in der von Comparis finanzierten Gesundheiskosten-Prognose voraus.
In der Comparis-Medienmitteilung zur KOF-Prognose ordnet Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly die Ergebnisse ein.
2027 werden die Gesundheitsausgaben sogar auf über 12'000 Franken pro Person steigen.
Der Anstieg ist laut Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly jedoch verkraftbar. Wichtig ist, dass das Wirtschaftswachstum anhält und der Anteil der Gesundheitsausgaben weiter zwischen 11 und 12 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) liegt.
Gut zu wissen: Bei den Gesundheitskosten hat die Schweiz den vierthöchsten BIP-Anteil aller OECD-Länder – nach den USA, Deutschland und Österreich. Wie viel alle OECD-Länder 2024 für Gesundheitskosten ausgegeben haben, sehen Sie in der Grafik.
Über die KOF-Prognose
Comparis finanziert die KOF-Prognosen der Gesundheitsausgaben. Da das Bundesamt für Statistik die Gesundheitsausgaben erst mit zwei Jahren Rückstand publiziert, sind die Prognosedaten der KOF auch im Hinblick auf die Entwicklung der Krankenkassenprämien besonders wertvoll.
2. Angehörigenpflege steht vor Herausforderungen
Gemäss Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly steht die Langzeitpflege vor einer besonderen Herausforderung. Denn: Immer mehr Personen erhalten zu Hause Pflege und Betreuung. Positiv dabei ist, dass die kostengünstigere ambulante Pflege schneller wächst als die stationäre.
Viele Betagte wollen ihren Lebensabend in vertrauter Umgebung verbringen.
Allerdings sei laut Schneuwly die bezahlte Pflege durch Angehörige nicht ausreichend geregelt. Grundsätzlich sind Krankenkassen, Kantone und Gemeinden verpflichtet, somatische und psychiatrische Grundpflege zu vergüten. Dazu gehört Hilfe
beim Ankleiden
beim Essen
bei der Körperpflege
bei der Strukturierung des Alltags
Voraussetzung ist, dass Angehörige bei einer Spitex angestellt sind. Allerdings gibt es gemäss Felix Schneuwly in der Praxis viele Unklarheiten: «Spitex-Organisationen, Krankenkassen und Behörden interpretieren die Vorgaben unterschiedlich.»
Umfang und Kosten der Angehörigenpflege
Genaue Zahlen über Umfang und Kosten der Angehörigenpflege fehlen. Das liegt daran, dass die Arbeit von Angehörigen nicht separat erfasst wird.
Der Bundesrat schätzt, dass der Umsatz der Angehörigenpflege zwischen 2019 und 2024 stark gewachsen ist. 2019 hat sie etwa 18 Millionen Franken Umsatz erzielt, fünf Jahre später waren es bereits 100 Millionen Franken.
3. Private Spitex-Organisationen stellen mehr Angehörige ein
Laut Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly haben gemeinnützige Spitex-Organisationen die Bedeutung der Angehörigenpflege «verschlafen». Dadurch wächst der Markt für private Pflegeunternehmen, die pflegende Angehörige anstellen.
Sowohl private als auch gemeinnützige Spitex-Organisationen verzeichneten 2024 nicht nur mehr Pflegekosten, sondern auch eine höhere Beschäftigung als im Vorjahr. Aber: Bei gewinnorientierten Pflegeunternehmen sind beide Werte deutlich stärker gestiegen als bei gemeinnützigen Organisationen, wie folgende Grafik zeigt.
Pflegekosten auf Rekordniveau
Gemäss Bundesamt für Statistik leisteten Spitex-Dienste 2024 etwa 25,6 Millionen Pflegestunden. Das sind gut zehn Prozent mehr als noch 2023 – das ist der stärkste Anstieg seit 2011.
Das spiegelt sich auch in der Entwicklung der Pflegekosten seit 2011 wider, die Sie in der Grafik sehen.
Die Pflegekosten von 15,82 Milliarden Franken entsprachen 16 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. Mit 12,16 Milliarden Franken entfiel der Grossteil davon auf Alters- und Pflegeheime. Ambulante Pflegeleistungen machten nur 3,66 Milliarden Franken aus.
4. Finanzierung von Angehörigenpflege muss pragmatisch geregelt werden
Ab 2026 wird die Finanzierung von Gesundheitskosten umgestellt – vom aktuellen Tarmed auf den Tardoc und ambulante Pauschalen. Ab 2032 betrifft das auch die Pflegeleistungen. Die Kantone zahlen dann 73,1 Prozent der Pflegekosten, die Krankenkassen 26,9 Prozent.
Bis dahin muss die Finanzierung der Angehörigenpflege präziser definiert werden. Dabei warnt Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly davor, die bestehenden Unsicherheiten gar nicht oder mit zu viel Bürokratie zu lösen.
Es braucht schlanke und pragmatische Lösungen. Nur so lässt sich klar regeln, in welchem Umfang und zu welchen Ansätzen die Angehörigenpflege finanziert wird – ohne neue Planwirtschaft.
Schneuwly fordert weiter, dass Bund und Kantone gemeinsam mit den Versicherungen und Spitex-Verbänden zentrale Fragen klären. Dazu gehören:
Regeln, wer als Angehörige oder Angehöriger Pflegeleistungen abrechnen darf
welche Ausbildung zur Abrechnung von Pflegeleistungen nötig ist
wie hoch die abrechenbaren Leistungen maximal sein dürfen
eindeutige Vorgaben zur Schadenminderungspflicht. Das heisst: Wann ist unentgeltliche Pflege durch die Familie zumutbar – und wann nicht?
Gemäss Felix Schneuwly müssen zudem Pflege- und Betreuungsleistungen klar voneinander getrennt werden. Das gilt besonders für die psychiatrische Angehörigenpflege. Auch braucht es schweizweit einheitliche Kriterien für die öffentliche Finanzierung der Restkosten und die Qualität der erbrachten Leistungen.
Dieser Artikel wurde erstmals produziert am 07.11.2023



