Verhaltenstherapie: Ablauf, Dauer und Vermittlung

Die Verhaltenstherapie ist eine wissenschaftlich orientierte Form der Psychotherapie. Erfahren Sie, welche Techniken dort eingesetzt werden und wo Sie passende Hilfe finden.

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Julia Strachowitz

Über Wasser springen

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1.Was ist (kognitive) Verhaltenstherapie?
2.Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?
3.Welche Techniken werden in der Verhaltenstherapie eingesetzt?
4.Eignet sich Verhaltenstherapie für Kinder?
5.Wie lange dauert eine Verhaltenstherapie?
6.Wo finde ich einen Verhaltenstherapeuten?

1. Was ist (kognitive) Verhaltenstherapie?

Die Verhaltenstherapie stammt aus der Schule des Behaviorismus. Im Artikel Therapiemethoden lernen Sie mehr über die 21 verschiedenen Methoden der Psychotherapie. Die Verhaltenstherapie hat sich als Gegenbewegung zur Psychoanalyse entwickelt. Man unterscheidet die klassische Verhaltenstherapie und die kognitive Verhaltenstherapie.

Die klassische Verhaltenstherapie ist eine spezielle Form der Psychotherapie und Grundgerüst für verschiedene Techniken. Durch Erlernen neuer Verhaltens- und Denkweisen nimmt der Patient oder die Patientin aktiv am Heilungsprozess teil. Im Gegensatz zur Psychoanalyse wird am beobachtbaren Verhalten gearbeitet, statt das Unterbewusstsein beispielsweise in Träumen oder Assoziationen zu erkunden.

Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Menschen über Gedanken (Kognitionen) ihr Verhalten und damit auch ihre Gefühlszustände aktiv beeinflussen können. Gedanken wie «Ich muss perfekt sein» führen zu Stress. Eine neutrale Bewertung der Situation hingegen kann diesen Stress verringern, wie z. B. «Fehler machen ist normal».

2. Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?

Die Therapie orientiert sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Menschen erlernen unter anderem durch die sogenannte klassische Konditionierung positive, aber auch ungünstige Gedanken- und Verhaltensmuster.

Die klassische Konditionierung ist eine der bekanntesten Lerntheorien. Menschen erlernen dadurch innere Einstellungen und äussere Verhaltensweisen. Menschen werden z. B. nicht mit vielen Ängsten geboren, sie erlernen sie im Laufe ihres Lebens. Als Kind sind Bienen neutral für uns – bis wir das erste Mal gestochen werden. Ab diesem Zeitpunkt weinen wir vielleicht, wenn wir eine Biene sehen. Die Biene war ursprünglich neutral. Nach dem Stich haben wir sie mit Schmerz verbunden. 

Auch wenn Denkmuster häufig aus der Kindheit stammen, arbeitet die Verhaltenstherapie mit der Gegenwart. Welche Denkmuster schaden mir heute? Welche derzeitigen Verhaltensweisen behindern mein Leben?

So wird beispielsweise das sogenannte Schwarz-Weiss-Denken («Wenn ich nicht gewinne, bin ich ein Versager») durch hilfreiche Gedanken ersetzt («Heute war ich nicht erfolgreich, aber in anderen Projekten habe ich gewonnen»).

Zu Beginn einer Verhaltenstherapie werden Probleme des Patienten oder der Patientin besprochen. Ein Therapieziel wird festgelegt. Der Verhaltenstherapeut oder die Verhaltenstherapeutin entwickelt einen Therapieplan. Ziel ist die Veränderung ungünstiger Verhaltens- und Denkmuster im Alltag.

3. Welche Techniken werden in der Verhaltenstherapie eingesetzt?

Mithilfe kognitiver Techniken arbeitet der Patient oder die Patientin an der Art und Weise des eigenen Denkens. Er oder sie lernt, sich selbst zu beobachten, Probleme zu identifizieren, individuelle Blockaden zu erkennen, Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren.

Katastrophisieren ist ein typisches Gedankenmuster, welches zu seelischen Problemen führen kann. Statt zu denken, «Wenn ich eine Beziehung beende, finde ich nie wieder einen Partner oder eine Partnerin», erlernen Patientinnen und Patienten hilfreiche Gedanken wie «Das Leben bietet mir neue Chancen». Dieser Prozess wird in der Therapie erarbeitet.

Auch die Reizkonfrontation ist eine Technik der Verhaltenstherapie. Die angstauslösende Situation, z. B. eine Prüfung, wird in Gedanken durchgespielt. Der Patient oder die Patientin lernt, die Situation mithilfe von Entspannungstechniken auszuhalten.

Operante Verfahren werden eingesetzt, um erwünschtes Verhalten über positive Verstärkung (Belohnung) zu bewirken. Lob, Zuwendung oder materielle Anreize werden eingesetzt, um Patientinnen und Patienten zu neuen Verhaltensweisen zu motivieren. 

Das Modell-Lernen ist eine Technik, die davon ausgeht, dass Menschen nach der Vorbildfunktion handeln. Eine neue Verhaltensweise muss nicht zwingend selbst durchgeführt werden, sondern kann auch durch Beobachtung erlernt werden.

Im Fall einer Zwangsstörung führt die Therapieperson z. B. vor, dass die Tür nur einmal abgeschlossen und kontrolliert werden muss. Der Patient oder die Patientin lernt durch die genaue Beobachtung und ahmt das Verhalten anschliessend nach.

Neben den allgemeinen Techniken kommen störungsspezifische Methoden in der Verhaltenstherapie zum Einsatz. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) wurde speziell für Borderline-Betroffene entwickelt. Das Cognitive Behavioral Analysis System for Psychotherapy (CBASP) wird spezifisch zur Behandlung chronischer Depressionen eingesetzt.

4. Eignet sich Verhaltenstherapie für Kinder?

Die Verhaltenstherapie wird erfolgreich bei Kindern eingesetzt. Sie findet zum Beispiel bei der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ADHS Anwendung. Der Verhaltenstherapeut oder die Verhaltenstherapeutin bezieht Eltern und Bezugspersonen in die Therapie ein. Gemeinsam mit dem Kind werden Strategien entwickelt, die es dazu befähigen, im Alltag besser mit ADHS umzugehen. 

In der Verhaltenstherapie mit Kindern kann auf Behandlungsmethoden zurückgegriffen werden, die entweder störungs- (z. B. Behandlung von Depressionen, von Ängsten) oder fertigkeitenorientiert (z. B. Training selbstsicheren Verhaltens) sind. In der Arbeit mit Kindern kommen kreative Methoden, Bilderbücher, Arbeitsblätter, Experimente und Rollenspiele zum Einsatz.

5. Wie lange dauert eine Verhaltenstherapie?

Je nach Art der Verhaltenstherapie und der psychischen Störung kann die Therapiedauer unterschiedlich sein. Die kognitive Verhaltenstherapie ist in der Regel eine Kurzzeittherapie. Innerhalb von 10 bis 30 Sitzungen kann das Therapieziel erreicht werden. Besteht ein Problem jedoch über einen langen Zeitraum oder liegt eine traumatische Erfahrung vor, kann sich die Therapiedauer verlängern.

Der Patient oder die Patientin wird aktiv in den Heilungsprozess miteinbezogen. Die Dauer der Verhaltenstherapie hängt auch von der Bereitschaft zur Veränderung und von der aktiven Mitarbeit ab. In der Verhaltenstherapie kommen häufig Hausaufgaben zum Einsatz. Hierfür braucht es die Bereitschaft, neues Verhalten auszuprobieren und Übungen selbstständig auszuführen.

6. Wo finde ich einen Verhaltenstherapeuten?

Die Schweizerische Gesellschaft für kognitive Verhaltenstherapie SGVT bietet auf ihrer Webseite eine Therapeutensuche an. Dort finden Sie Verhaltenstherapeutinnen und Verhaltenstherapeuten in Ihrem Kanton. 

Auch die Arbeitsgemeinschaft Verhaltensmodifikation Schweiz AVM-CH bietet auf ihrer Webseite Hilfe bei der Therapeutensuche an. Dort können Sie kostenlos ein Formular ausfüllen und erhalten Adressvorschläge von Verhaltenstherapeutinnen und Verhaltenstherapeuten in Ihrer Nähe.

Quellen

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