PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung einfach erklärt

Eine traumatische Erfahrung kann eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auslösen. Wie erkennt man PTBS? Comparis klärt auf und beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Julia Strachowitz

01.02.2022

Nachdenkliche Frau in Wiese

Unsplash

Fast 1,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung weisen eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf. Für die Betroffenen kann eine solche schwere Auswirkungen auf den Alltag haben. Doch wie erkennt man PTBS, und kann eine Therapie Abhilfe schaffen?

1.Was ist ein traumatisches Ereignis?
2.Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?
3.Führt jedes Trauma zu einer PTBS?
4.An welchen Symptomen erkennt man eine PTBS?
5.Was ist eine komplexe PTBS?
6.Welche Auswirkungen hat PTBS auf den Körper?
7.Welche Therapiemethoden helfen bei PTBS?
8.Was ist posttraumatisches Wachstum?

Was ist ein traumatisches Ereignis?

Ein besonders negatives und unkontrollierbares Ereignis erzeugt viel Stress. Traumata sind Ereignisse von aussergewöhnlicher Bedrohung oder von katastrophenartigem Ausmass. Das Ereignis wird direkt oder als Zeuge erlebt. Auch der Bericht über ein solches Ereignis durch eine nahestehende Person kann traumatisieren. Ein Trauma kann die Konfrontation mit dem Tod, schwere körperliche Verletzungen oder sexuelle Gewalt beinhalten. Sexuelle Gewalt oder ein Autounfall betreffen ein Individuum. Krieg oder Erdbeben haben Auswirkungen auf viele Menschen gleichzeitig. Häufige Folge eines Traumas ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine Stressreaktion, bei der Menschen unter dem beständigen Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von beispielsweise Rückblenden (Flashbacks) oder Albträumen leiden. Betroffene versuchen mit aller Macht, die Erinnerungen abzuschalten. Das führt zu Vermeidungsverhalten. An das Trauma erinnernde Orte und Personen werden gemieden. Eine emotionale Abgestumpftheit kann auftreten. Andere Menschen, auch Freunde, fühlen sich zunehmend fremd an. Sozialer Rückzug ist die Folge. Gleichzeitig tritt ein sogenanntes «Hyperarousal» auf. Betroffene sind tagsüber extrem wachsam in Bezug auf ihre Umwelt. Überall lauert Gefahr. Fremde Gesichter oder laute Geräusche können heftige Schreckreaktionen auslösen. Gemäss Schätzungen der *Universität Zürich weisen 1,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung eine Posttraumatische Belastungsstörung auf. PTBS kann in jedem Lebensalter auftreten.

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Führt jedes Trauma zu einer PTBS?

Nicht jede Person leidet nach einer traumatischen Erfahrung unter PTBS. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken steigt, je mehr traumatische Erfahrungen sich aneinanderreihen. Auch Dauer, Schadensausmass und Verletzungsgrad verstärken die posttraumatische Symptomatik. Die bedingte Wahrscheinlichkeit, nach einem Krieg an einer PTBS zu erkranken, liegt bei 65 Prozent. Bei sexueller Gewalt sind es 50 Prozent und bei einem schweren Autounfall 5 Prozent. Erhöhte Stressbelastung nach einem Trauma (z.B. familiärer, beruflicher oder finanzieller Stress) sowie starke Schuldgefühle (Survivor Guilt) sind Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS. Die Behandlung der betroffenen Person nach einem traumatischen Erlebnis hat Auswirkungen auf die Genesung. Soziale Unterstützung kann die Entwicklung einer PTBS verhindern. Die gesellschaftliche Anerkennung als Überlebender oder Opfer, das Mitgefühl und Verständnis anderer Menschen sowie Hochachtung für die besondere Situation kann helfen, traumatische Erfahrungen besser zu verarbeiten.

An welchen Symptomen erkennt man eine PTBS?

Die vier Hauptmerkmale einer PTBS sind Übererregung, Wiedererleben, Vermeidung sowie negative Veränderungen in Gedanken und Gefühlen. Durch eine konstante Übererregung wird auch Monate nach dem traumatisierenden Erlebnis der Alltag zur Qual. Der Körper ist ständig in Alarmbereitschaft. Das Gehirn ist überlastet und es treten Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten auf. Das Trauma wird ungewollt wiedererlebt. Sogenannte «Flashbacks» treten auf. Die Vermeidung zeigt sich darin, dass Betroffene mit aller Mühe versuchen, Gedanken, Orte, Erinnerungen an das Trauma zu vermeiden.

Die folgenden Symptome sind kennzeichnend für eine PTBS:

  • Erhöhte Schreckhaftigkeit und Angst

  • Starke Nervosität und Herzrasen (z.B. in Situationen, die unbewusst an das Trauma erinnern)

  • Schlafstörungen und Albträume

  • Gefühl der Sinnlosigkeit und Hilflosigkeit

  • Erinnerungslücken und Konzentrationsprobleme

  • Quälende Bilder und Erinnerungen drängen sich auf

  • Appetitlosigkeit und Essstörungen

  • Starkes Bedürfnis nach Alkohol oder Beruhigungsmitteln

  • Emotionale Abgestumpftheit und Gefühl der Entfremdung

Was ist eine komplexe PTBS?

Die komplexe PTBS ist auf wiederholte Traumatisierung zurückzuführen. Das häufigste Beispiel für langanhaltende Traumatisierung ist sexueller oder physischer Missbrauch in der Kindheit. Andere Beispiele sind häusliche Gewalt, Menschenhandel, Kindersoldaten, geflüchtete Menschen, Folteropfer und Sektenaussteiger oder ‑aussteigerinnen. Neben den Symptomen der klassischen PTBS leiden Betroffene einer komplexen Belastungsstörung zusätzlich unter einem oder mehreren der folgenden Symptome: gestörte Selbstkontrolle, depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Suizidalität, Selbstverletzungen, Selbstanschuldigungen, gestörte Beziehungsfähigkeit und Wahrnehmungsstörungen. Das besondere Kennzeichen der komplexen PTBS ist die gestörte Persönlichkeitsentwicklung. Selbstwert und Selbstwahrnehmung wurden stark geschädigt.

Welche Auswirkungen hat PTBS auf den Körper?

Zur Traumaverarbeitung braucht es das Verständnis darüber, was passiert ist. Danach kann die Schlussfolgerung gelingen: «Es ist vorbei und ich habe überlebt.» Gelingt diese Erkenntnis und Traumaverarbeitung nicht, leidet nicht nur der Geist. Auch Gehirn und Körper leiden mit. Betroffene wollen das Trauma angehen und verarbeiten, können sich teils aber nicht daran erinnern. Gleichzeitig werden sie von vorhandenen Traumaerinnerungen geplagt. Dieses Durcheinander führt zu einer anhaltenden Stressreaktion im Körper. Magen-Darm- und Schmerzstörungen können eine der Folgen sein. Einer Studie zufolge leiden viele der Frauen, die in der Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren haben, unter chronischen Unterbauchschmerzen. Schmerzhafte Erinnerungen werden teils in den Körper «übertragen», weil der körperliche Schmerz leichter erträglich erscheint.

Welche Therapiemethoden helfen bei PTBS?

Von PTBS Betroffene benötigen professionelle psychotherapeutische Hilfe. Im deutschsprachigen Raum haben sich bei der Behandlung von PTBS zwei Therapiephasen etabliert:

  1. Sicherheit: Die Stabilisierung der betroffenen Person

  2. Integration: Das Integrieren der Erlebnisse in die eigene Biografie sowie eine Neuorientierung

Bei komplexer PTBS braucht es eine längere Phase der Stabilisierung, bis eine erneute Konfrontation mit den traumatisierenden Erinnerungen erfolgen kann. Die Therapie kann je nach Ausprägung der PTBS ambulant (z.B. in einer Psychotherapiepraxis), stationär (z.B. in einer psychiatrischen Klinik) oder im Wechsel erfolgen.

Für die Behandlung der PTBS haben sich spezielle Verfahren als wirksam erwiesen. Hierbei steht die Reduktion der PTBS-Symptome im Vordergrund. Zu diesen Verfahren zählen:

  • EMDR: Beidseitige Augenstimulationen helfen dabei, die beiden Gehirnhälften von traumatisierten Menschen zu synchronisieren. Lesen Sie den Artikel EMDR für detaillierte Informationen zu diesem Verfahren.

  • Kognitive Therapien: Helfen dabei, die Bewertungs- und Wahrnehmungsprozesse neu zu strukturieren, damit das Trauma kognitiv verarbeitet werden kann.

  • Prolongierte Exposition: Das Trauma wird nacherlebt und erzählt, bis eine Gewöhnung eintritt und die Reaktion auf die belastenden Ereignisse abgeschwächt wird.

  • Narrative Expositions-Therapie (NET): Wurde für den Einsatz in Krisen- und Kriegsgebieten entwickelt und basiert auf den Grundsätzen der kognitiven Verhaltenstherapie.

  • Somatic Experiencing (SE): Arbeitet vor allem mit körperlichen Reaktionen auf das Trauma, dabei werden Körperempfindungen aufgespürt und in kleinen Schritten wird die Sicherheit im eigenen Körper gestärkt.

Was ist posttraumatisches Wachstum?

Manchmal erleben Menschen trotz aller Schwierigkeiten positive psychische Veränderungen als Reaktion auf ihr Trauma. Posttraumatisches Wachstum besteht aus fünf Phasen:

  1. Neue Möglichkeiten: Neue Interessensgebiete werden entdeckt, die eigenen Bedürfnisse werden neu gestaltet

  2. Beziehungen: Die Verbindung zu anderen Menschen wird tiefer und als sinnvoller empfunden

  3. Innere Stärke: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kräfte steigt

  4. Wertschätzung: Das Leben wird als wertvoller empfunden, Dankbarkeit für Alltagssituationen erhöht sich

  5. Spirituelle Veränderung: Die Hinwendung zu einer sinnlich nicht fassbaren Wirklichkeit verstärkt sich

Suchen Sie eine Traumatherapie? Finden Sie hilfreiche Anlaufstellen in diesem Artikel über Therapievermittlung.

Quellen

  • Andreas Maercker, Tobias Hecker, Mareike Augsburger, and Sören Kliem. ICD-11 Prevalence Rates of Posttraumatic Stress Disorder and Complex Posttraumatic Stress Disorder in a German Nationwide Sample. Journal of Nervous and Mental Disease. January 30, 2018.

  • Gerrig, R. J. (2016). Psychologie (20. Auflage). Hallbergmoos, Deutschland: Pearson.

  • Paras ML, Murad MH, Chen LP, et al. Sexual Abuse and Lifetime Diagnosis of Somatic Disorders: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2009.

  • Seidler, G. H., Freyberger, H. J., Glaesmer, H., Gahleitner, S. B. (2019). Handbuch der Psychotraumatologie (3. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta

  • Kantonsspital Winterthur (KSW)

  • Universitätsspital Zürich (UZH)

  • UZH: Komplexe posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-11

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